Die neue New Economy ist da: nachdem um 1990 das Internet in seiner ersten Ausbaustufe Verbreitung fand, hat sich viel getan: benutzte damals noch kaum jemand überhaupt E-mail oder wußte, wie man Informationen über das Netz abruft, so ist beides heutzutage weitverbreitet.
Später enstand der E-commerce, und Online-Geschäfte traten einen ungeheuren Siegeszug an.
Mit Web 2.0 und der immer selbstverständlicher werdenden Interaktivität fast aller Angebote im World wide web war eine weitere Entwicklungsstufe erreicht: die Onlineauftritte wurden “anspruchsvoller” und technisch aufwendiger, der Benutzer wurde mehr und mehr verwöhnt, die Erwartungen der Online-Kundschaft stiegen — und entsprechend wurde auch der technische Aufwand für Anbieter und Online-Verkäufer immer höher. Die zur Verfügung gestellten Bandbreiten für Internetleitungen haben sich seit Einführung des WWW vervielfacht, die Verschwendung von Ressourcen nahm zu, heute ist ZouTube und Video allgemein (aus technischer Sicht besonders ressorucenintensiv) mit Abstand die beliebteste Nutzungsart von Internetanwendern in aller Welt.
Die nächste Entwicklungsstufe wird weniger zusätzliche Anforderungen an die Internet-Infrastruktur stellen. Sie wird — ganz im Gegenteil — an anderer Stelle zu Einsparungen und zu Verlagerungen bestehender Geschäftsfelder in die sogenannte virtuelle Welt des Netzes führen: Web 3.0 ist da!
Web 3.0 ist die Loslösung der internetbasierten Wirtschaftsbereiche vom staatlich kontrollierten Geld. Werden heute noch so gut wie alle Online-Umsätze mit offiziellen Papierwährungen wie Dollars, Euros, britischen Pfund oder den drei Sorten skandinavischer Kronen bezahlt, so könnte sich dies schon bald ändern.
Die sogenannten Crypto coins (oder Kryptowährungen) steigen weltweit an Beliebtheit. Seit dem Höhenflug des Bitcoin-Wechselkurses zum Dollar oder Euro haben auch die Massenmedien das Phänomen Kryptowährungen zur Kenntnis genommen — und mit ihnen der Bürger auf der Straße. Fristete Bitcoin in den ersten zweieinhalb Jahren seines Bestehens noch ein Schattendasein und war auf enge Benutzergruppen und Subkulturen beschränkt, so hat die virtuelle Währung mittlerweile sehr viel mehr Verbreitung gefunden. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld mit zunehmender Verunsicherung gegenüber staatlich kontrollierten und nicht mehr besonders vertrauenswürdigen “amtlichen Währungen” trägt dazu noch bei. Bitcoin wird mittlerweile für hunderttausende von Transaktionen pro Tag verwendet, das Gesamtvolumen der “Bitcoin-Wirtschaft” beträgt inzwischen weit mehr als $11 Milliarden.
Doch nicht nur Bitcoin verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Auch andere Crypto currencies wie Litecoin, Feathercoin, Fastcoin (als Alt coins oder “Alternativwährungen” bezeichnet) verbreiten sich und steigen zugleich in ihren jeweiligen Kurswerten gegenüber staatlichen Papierwährungen.
“Kein Wunder!”, schreien die Kritiker, “denn mit diesem anonymen Geld kann man ja krumme Dinger drehen”. Doch dieses Argument beruht auf Unkenntnis. Erstens wird niemand das Autofahren verbieten wollen, nur weil auch hin und wieder ein Bankräuber per Auto flüchten könnte, und zweitens trifft die Behauptung einer “Anonymität” von Bitcoin und anderen Kryptowährungen nicht zu: Bitcoin und andere Crypto coins sind keineswegs “anonym”, sie sind lediglich pseudonym und lassen sich jederzeit öffentlich nachverfolgen. Das zugrundeliegende “Verzeichnis” und das Rückgrat der Bitcoin-Infrastruktur ist die Blockchain — und die kann von jedem beliebigen Internetnutzer aufgerufen und eingesehen werden (auch von Finanzbeamten, selbst wenn die das bisher wegen groben Unverstands noch nicht wissen sollten). Damit gehen Unterstellungen auf Eignung zur Verdunklung fehl.
Der Reiz von Bitcoin muß also auf anderem Gebiet liegen.
Zur Erhellung möge man doch einmal eine wirtschaftliche Analyse anstellen: Bitcoin-Zahlungen sind sicher, sie treffen innerhalb von Sekunden beim Empfänger ein, sie sind gebührenfrei. Anreize zur Nutzung des wirtschaftlich überlegenen Verfahrens gegenüber SWIFT oder SEPA gibt es damit auf den ersten Blick bereits genug. Der “Homo oeconomicus” such sich selbstverständlich die “billigste” Lösung — diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch E-mail und Online-Handel setzten sich einst — es war erst vor 10 bis 20 Jahren! — aus demselben Grund durch.
Bei Bitcoin und Crypto currencies jeder anderen Art ist es ganz genauso.
“Was ich selber denk’ und tu’, das trau’ ich auch ‘nem andern’n zu”: vielleicht sollten die “Saubermänner” mit Ihren Warnungen vor Bitcoin sich einmal an der eigenen Nasenspitze zupfen — und sich vor allem zuerst einmal über Kryptowährungen und ihre tatsächliche Funktionsweise informieren, bevor sie sich mit Dummheiten in die öffentliche Diskussion einmischen. Überdies mögen sie sich vorsehen, denn wer wich durch Benutzung von Bitcoin o dgl “unauffällig” oder “anonym” vorkommt, könnte ein böses Erwachen haben.
Wie auch immer Bitcoin sich entwickeln mag — ob es als Erfolg oder als Flop in die Geschichte eingehen wird –, fest steht auch unabhängig von Bitcoin selbst, daß Crypto currencies weiterhin Zulauf finden werden. Und wie erfolgreich oder sinnlos die neue Phase des Web 3.0 auch sein mag, daß sich die Art und Weise der Internetbenutzung auch weiterentwickeln wird, steht ebenfalls fest.